Die Preise für Agrarrohstoffe schwanken weltweit stärker denn je – ein Phänomen, das nicht allein durch Wetter, Ernten oder Nachfrage erklärbar ist. Immer häufiger bestimmen Finanzakteure und spekulative Strategien das Preisgeschehen auf den Rohstoffmärkten. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Erkenntnisse von Prof. Dr. Heiner Flassbeck (UNCTAD) zusammen und zeigt, wie Politik und Regulierung wieder Stabilität und Fairness in diese zentralen Märkte bringen können.
Seit Mitte der 2000er Jahre sind die Preise für Rohstoffe – insbesondere Agrarrohstoffe – stark gestiegen und von hoher Volatilität geprägt. Nach einem Einbruch während der Finanzkrise 2008 stiegen die Preise ab 2009 erneut an. Diese Schwankungen lassen sich nicht allein durch Veränderungen bei Angebot und Nachfrage erklären, sondern sind in hohem Maße auf die zunehmende Finanzialisierung der Rohstoffmärkte zurückzuführen.
Neben wachsender Nachfrage aus Schwellenländern (u. a. durch veränderte Ernährungsgewohnheiten und Urbanisierung) spielt auch die Verwendung von Agrarprodukten für Biotreibstoffe eine wichtige Rolle. Diese Umwidmung landwirtschaftlicher Flächen führte zu Preissteigerungen und Engpässen. Hinzu kommen klimabedingte Produktionsrückgänge und sinkende Produktivitätszuwächse.
Seit etwa 2004 haben Finanzinvestoren in großem Stil Rohstoffmärkte als Anlageklasse entdeckt. Über Indexfonds, Hedgefonds und algorithmischen Handel werden enorme Volumina bewegt, die die Preise von den realwirtschaftlichen Fundamentaldaten entkoppeln.
Studien zeigen:
Die traditionelle „Effizienzmarkthypothese“ (EMH), wonach alle verfügbaren Informationen sofort in die Preise einfließen, gilt auf heutigen Rohstoffmärkten nicht mehr.
Viele Marktteilnehmer handeln nicht auf Basis von Fundamentaldaten, sondern orientieren sich an anderen Akteuren (Herdenverhalten). Dadurch wird Arbitrage – also das Ausnutzen von Fehlbewertungen – erschwert. Kurzfristige Preisverzerrungen und künstliche Preisspitzen sind die Folge.
In Interviews mit Marktteilnehmern (Händler, Investoren, Broker, Analysten) bestätigten alle die wachsende Rolle von Finanzakteuren und die daraus resultierende erhöhte Volatilität. Diese schreckt Produzenten und Konsumenten ab, die eigentlich Absicherungsgeschäfte tätigen wollen. Zudem entstehen zusätzliche Finanzierungsrisiken durch häufige Nachschussforderungen („margin calls“).
Flassbeck fordert umfassende Maßnahmen, um Transparenz und Stabilität zu erhöhen:
Eine geringe Steuer auf Finanzgeschäfte könnte kurzfristige Spekulation bremsen und Märkte stabilisieren.
Die Rohstoffmärkte sind durch Finanzialisierung zunehmend von realwirtschaftlichen Fundamenten entkoppelt. Das führt zu Preisschwankungen, die insbesondere Entwicklungsländer und einkommensschwache Haushalte hart treffen. Eine Kombination aus Transparenz, Regulierung und Marktintervention ist notwendig, um spekulativen Exzessen entgegenzuwirken und die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln langfristig zu gewährleisten.
Handle-fair.de ist eine unabhängige Plattform für nachhaltiges Investieren, fairen Handel und verantwortungsvolle Finanzentscheidungen. Unser Ziel ist es, transparente und neutrale Informationen bereitzustellen, die Verbraucher und Anleger zu bewusstem Handeln befähigen. Im Mittelpunkt stehen ethische Kriterien, ökologische Verantwortung und soziale Gerechtigkeit.“